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Island
Vulkanismus in Island: Leben über dem Hot Spot
Wie Feuer, Eis und Erdplatten die Insel fortwährend formen
Island ist ein Land im Wandel – wortwörtlich. Die Insel liegt mitten auf der Plattengrenze zwischen Europa und Nordamerika und ist weltweit eines der aktivsten vulkanischen Gebiete. Von Spaltenvulkanen über Geysire bis zu spektakulären Gletscherläufen: Der Vulkanismus in Island prägt Landschaft, Leben und Forschung wie kaum anderswo.
Christian Nowak, vom 24.05.2025
Island: Geologie im Zeitraffer
Island ist das jüngste Land Europas. Geologisch betrachtet befindet sich die Insel praktisch noch im Babyalter. Und weil sie so jung ist, verändert sie sich auch ständig – vor allem durch Vulkanausbrüche. Island liegt genau auf dem über 20.000 Kilometer langen Mittelatlantischen Rücken. An dieser Plattengrenze driften die nordamerikanische und die eurasische Kontinentalplatte mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von etwa zwei Zentimetern pro Jahr auseinander. Durch diese Spreizung des Meeresbodens gelangt laufend Magma an die Oberfläche, das die entstehende Lücke wieder schließt.
Besonders eindrucksvoll ist die Grenze zwischen den Kontinentalplatten in der Allmännerschlucht im Nationalpark Þingvellir zu sehen: Nirgendwo sonst ist die Plattentektonik anschaulicher als an dieser Nahtstelle zwischen Amerika und Europa.
© 365 Focus Photography, Shutterstock
Die größte Vulkaninsel der Erde
Die Grenze zwischen den Kontinentalplatten verläuft in Island vom äußersten Südwesten bis in den Nordosten. Das führt zu einem rund 50 Kilometer breiten, geologisch höchst aktiven Streifen, auf dem sich zahlreiche Vulkane, heiße Quellen, Hochtemperaturgebiete und seismische Aktivitäten konzentrieren. Zusätzlich liegt unter Island ein sogenannter Hot Spot, der besonders viel Magma aus dem Erdinnern an die Oberfläche befördert. Die Geburtsstunde der Insel liegt etwa 15 bis 20 Millionen Jahre zurück, als erste unterseeische Vulkane die Wasseroberfläche durchbrachen. Seither driften die Platten stetig weiter auseinander. Diese wenigen Zentimeter pro Jahr haben nach und nach dazu geführt, dass Island heute eine Fläche von gut 100.000 Quadratkilometern erreicht hat – und zur größten Vulkaninsel der Welt herangewachsen ist. Die ältesten Teile der Insel befinden sich im äußersten Osten und Westen. In den Westfjorden, weit entfernt von der Plattengrenze, wurde rund 14 Millionen Jahre alter Basalt gefunden. Hier gibt es keine aktiven Vulkane mehr, nur noch vereinzelt postvulkanische Aktivitäten. Die Landschaft ist deutlich von der letzten Eiszeit geprägt.

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Der Vulkanismus auf Island ist nicht nur faszinierend, sondern auch gefährlich. Nach dem Ausbruch der Laki-Krater im Jahr 1783 erwog man sogar, die gesamte Insel zu evakuieren. Damals starben rund ein Fünftel der Bevölkerung an den Folgen von Hungersnot und Schwefelgasvergiftung. Seit der Besiedlung durch die Wikinger im Jahr 874 kam es im Schnitt etwa alle fünf Jahre zu einem Vulkanausbruch. Geologen gehen davon aus, dass etwa ein Drittel der weltweit geförderten Lavamenge in Island an die Oberfläche gelangt ist. Besonders problematisch sind Ausbrüche unter dem Eis: Der Vatnajökull, Europas größter Gletscher, liegt direkt über mehreren aktiven Vulkanen.
© JibiBrown, Shutterstock
Brennt sich Lava durch den mehrere hundert Meter dicken Eispanzer, kommt es zu gewaltigen Gletscherläufen – plötzlichen Flutwellen aus Schmelzwasser und Gestein, die große Zerstörung anrichten können. Trotz umfangreicher Überwachung durch seismische Sensoren, GPS und Drohnen bleibt die Langzeitvorhersage von Vulkanausbrüchen schwierig. Und bei Erdbeben gibt es bis heute kaum verlässliche Frühwarnsysteme. Island gilt unter Geologen weltweit als eines der spannendsten Freilandlabore – ein Ort, an dem sich Prozesse der Erdgeschichte live beobachten lassen.
Faszinierende Vielfalt
Auf Island lassen sich nahezu alle Vulkantypen finden. Geowissenschaftlich unterscheidet man sie nach der Art der Magmenzufuhr:
Spaltenvulkane
Bei diesen tritt Lava entlang kilometerlanger Spalten aus – dabei können kleinere Krater entstehen. Auf den Westmännerinseln öffnete sich 1973 eine solche Spalte. Auch die Feuerschlucht Eldgjá und die Laki-Spalte zählen zu diesem Typ.
© Fotogro, Shutterstock
Zentralvulkane
Sie können unterschiedliche Formen haben. Stratovulkane erkennt man an ihrem steilen, gleichmäßigen Kegel. Beispiele sind der Snæfellsjökull, der Eyjafjallajökull, der Öræfajökull und der Hvannadalshnúkur – viele davon liegen unter Gletschereis. Schildvulkane, die flachere Hänge ausbilden, entstehen hingegen durch dünnflüssigere Lava.
Pseudokrater
Im Gebiet rund um den See Mývatn finden sich sogenannte Pseudokrater. Diese sehen zwar aus wie echte Vulkane, besitzen aber keinen Schlot. Sie entstehen, wenn Lavaströme über feuchten Untergrund oder flache Seen fließen, das Wasser schlagartig verdampft und die Lava explosionsartig zersprengt.
Postvulkanische Aktivität
Auch nach einem Ausbruch bleibt der Untergrund aktiv. Solfataren, Fumarolen, heiße Quellen und Geysire entstehen, wenn Magma im Erdinneren abkühlt und dabei Gase freisetzt, die durch Risse an die Oberfläche dringen.
Eindrücklich zeigt sich das am Námaskarð-Pass nahe des Mývatn-Sees, wo farbige Schwefelfelder, Dampfquellen und der beißende Geruch vulkanischer Gase die Dynamik des Bodens unmittelbar erfahrbar machen.
© Niki Florin, Shutterstock
Neues aus dem Erdinneren
Island bleibt ein Land in Bewegung. In den letzten Jahren hat sich die zuvor lange ruhige Reykjanes-Halbinsel zu einem neuen Aktivitätszentrum entwickelt. Zwischen 2021 und 2024 kam es dort mehrfach zu Ausbrüchen mit Lavafontänen und neu gebildeten Kratern – auch in touristisch gut erreichbaren Gebieten nahe Grindavík und dem Fagradalsfjall. Die Ereignisse erinnern daran, dass Islands Vulkanismus kein abgeschlossenes Kapitel der Erdgeschichte ist – sondern ein fortlaufender Prozess, der die Insel Tag für Tag formt.
Island ist ein Land im Wandel – wortwörtlich. Die Insel liegt mitten auf der Plattengrenze zwischen Europa und Nordamerika und ist weltweit eines der aktivsten vulkanischen Gebiete. Von Spaltenvulkanen über Geysire bis zu spektakulären Gletscherläufen: Der Vulkanismus in Island prägt Landschaft, Leben und Forschung wie kaum anderswo.