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Indien verstehen: Das Kastensystem im Alltag – Reisetipps für Kulturreisende
Wer nach Indien reist, begegnet einem faszinierenden Mix aus Moderne und Tradition. Ein zentrales Thema: das Kastensystem. Besonders für kulturinteressierte Reisende lohnt sich ein genauer Blick auf dieses jahrhundertealte soziale Ordnungssystem – denn seine Spuren begegnen einem beim Reisen durch Indien überall: in Tempeln, in Homestays, auf Märkten oder in alltäglichen Gesprächen. Ein Hintergrundbericht mit praktischen Hinweisen und Tipps für Indien-Reisen, um das Kastensystem im Alltag besser einordnen zu können.
Digital-Redaktion, vom 29.08.2025
Was ist das Kastensystem in Indien?
Der Begriff „Kaste“ stammt wahrscheinlich aus dem Portugiesischen (casta = rein) und wurde von europäischen Kolonialmächten zur Beschreibung sozialer Gruppen in Indien verwendet. Doch das Prinzip sozialer Einteilung ist viel älter und in Indien selbst unter dem Namen varna bekannt – was so viel wie „Farbe“ bedeutet. Grundsätzlich basiert das Kastensystem in Indien auf vier Hauptgruppen:
- Brahmanen: Priester und Gelehrte
- Kshatriyas: Krieger und Herrscher
- Vaishyas: Kaufleute und Handwerker
- Shudras: Dienende und Arbeiter
Daneben existieren über 2.000 Unterkasten, darunter auch die Dalits – Menschen, die früher als „Unberührbare“ galten. Diese Gruppen sind bis heute besonders von Diskriminierung betroffen, vor allem in ländlichen Regionen.
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Dalits in Indien – zwischen Tradition und Moderne
Etwa 240 Millionen Menschen zählen zur Gruppe der Dalits. Viele arbeiten in Berufen, die traditionell als „unrein“ gelten – etwa als Müllsammler:innen oder Latrinenreiniger:innen. Trotz rechtlicher Abschaffung des Kastensystems 1949 erleben Dalits bis heute teils massive Ausgrenzung, besonders in ländlichen Gebieten. Reisende nach Indien bekommen diese Spannungen immer wieder zu sehen. Zum Beispiel durch sichtbare Unterschiede beim Zugang zu Tempeln, Wasserstellen oder öffentlichen Einrichtungen.
Kastensystem und Gesellschaft heute – ein Blick auf das moderne Indien
In Städten wie Mumbai, Bangalore oder Hyderabad weichen Kastenregeln zunehmend wirtschaftlichen und sozialen Unterschieden. Besonders die junge Generation sucht neue Wege, sich von alten Strukturen zu befreien – etwa durch Bildung, Auslandsaufenthalte oder soziale Netzwerke. Viele junge Gruppen, aber auch Start-Ups leben aktiv neu, entgegen der reglementierenden und diskriminierenden Regeln der Vergangenheit. Doch trotzdem spielt das Kastensystem nach wie vor auch unter fortschrittliche Denkenden eine Rolle bei Themen wie Heirat, Religion oder Wohnort. Für Reisende zeigt sich Indien daher gleichzeitig als moderne, lebendige Gesellschaft und als Land, das seine Traditionen tief verwurzelt trägt.
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Unser Indien-Spezialist:

Hans-Joachim Aubert
Reisen, Fotografieren, Schreiben - das sind die drei Leidenschaften von Autor und Globetrotter Hans-Joachim Aubert. Häufig ist er über Monate am Stück unterwegs, wobei ihn seine zahlreichen Reisen u.a. nach Asien, Nordafrika, Latein- und Südamerika sowie Australien und Indien führten. Hans-Joachim Aubert hat weltweit UNESCO-Welterbestätten dokumentiert, ist der Herkunft des Darjeeling-Tees gefolgt und durch die großen Nationalparks der USA gestreift. Mit seiner Arbeit möchte er für die Schönheit des Planeten begeistern und die Angst vor dem Fremden nehmen.
Praktische Tipps für Reisende: Kastensystem im Alltag verstehen
In Dörfern und Städten In indischen Metropolen ist das Thema oft kaum sichtbar, da dort soziale Unterschiede eher nach Einkommen oder beruflichem Status beurteilt werden. Auf dem Land hingegen bleibt Kastenzugehörigkeit im Alltag mitunter stark spürbar – zum Beispiel bei Festen, Gastfreundschaft oder bei der Sitzordnung in Gemeinschaften.
Tempelbesuche in Indien – Regeln & Hinweise Einige Tempel in Indien sind nur bestimmten Kasten oder hinduistischen Gruppen vorbehalten. Auch Tourist:innen dürfen aus diesem Grund nicht jedes Heiligtum betreten. Darum lohnt es sich, Hinweisschilder zu beachten, respektvolle Kleidung zu tragen und Ritualen still beizuwohnen, ohne vorschnell Fotos zu machen.
Indien Homestay Erfahrung – was Sie wissen sollten Bei einer Übernachtung in einem traditionellen Homestay können Regeln des Kastensystems noch eine Rolle spielen, etwa durch getrennte Essbereiche oder bestimmte Etikette im Haus. Am besten vorab offen nachfragen – in den meisten Fällen schätzen Gastgeber:innen das Interesse und erklären im zweifel die Hintergründe gerne.
Gespräche über das Kastensystem Während viele junge Inder:innen offen über ihre persönlichen Erfahrungen sprechen, bleibt das Thema in konservativen Familien sensibel. Statt eine „universelle Wahrheit“ erfahren zu wollen, ist es besser, zuzuhören und individuelle Sichtweisen einzuholen – so entstehen respektvolle Gespräche.
Unsere Empfehlung:

DUMONT Reise-Handbuch Reiseführer Indien, Der Norden
mit Extra-ReisekarteZwischen Vergangenheit und Zukunft – was Reisende mitnehmen können
Das Kastensystem in Indien ist nicht nur ein kulturelles Überbleibsel aus der Vergangenheit – es beeinflusst bis heute Alltag, Sprache und gesellschaftliches Selbstbild. Wer mit Respekt, Neugier und Offenheit reist, gewinnt nicht nur Einblicke in gelebte Traditionen, sondern auch in die Dynamik eines Landes, das sich ständig neu erfindet. Wichtig ist stets, das eigene Urteil nicht zu stark walten zu lassen.
5 häufige Fragen zum Kastensystem für Indien-Reisende
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Fazit: Indien-Reisen mit Blick für Kultur & Gesellschaft
Wer Indien wirklich verstehen möchte, kommt an Themen wie dem Kastensystem nicht vorbei. Für Reisende, die tiefer in Kultur und Gesellschaft eintauchen wollen, wird eine Indienreise so zu einem spannenden Perspektivwechsel – weg vom reinen Sehenswürdigkeiten-Tourismus, hin zu einer Begegnung mit den Menschen und ihren Lebensrealitäten.