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Elsass
Nordelsass: Frankreichs verborgene Schatzkammer für Genießer
Ein Kurzurlaub zwischen Fachwerkdörfern, Burgen und kulinarischen Höhepunkten
Nur einen Katzensprung von Baden-Baden, Karlsruhe oder Frankfurt entfernt, wartet das Nordelsass mit pittoresken Blumendörfern, imposanten Burgruinen und einer Küche, die Genießerherzen höherschlagen lässt. Die deutsch-französische Grenzregion vereint das Beste beider Kulturen und überrascht mit authentischen Erlebnissen. Eine Entdeckungsreise durch eine der charaktervollsten Landschaften der heutigen Region Grand Est, die mehr denn je einen Besuch wert ist.
Digital-Redaktion, vom 12.06.2025
Die Grenzregion zwischen Deutschland und Frankreich birgt einen Schatz, den selbst erfahrene Frankreich-Reisende oft übersehen: Das Nordelsass erstreckt sich zwischen den nördlichen Vogesen und dem Rheintal und ist von Baden-Baden, Karlsruhe oder Frankfurt aus in weniger als zwei Stunden erreichbar. Was die Region so besonders macht, ist nicht nur ihre Nähe zu Deutschland, sondern auch die kulturelle Verschmelzung beider Länder, die sich in Architektur, Küche und sogar der Sprache widerspiegelt. Fast überall wird neben Französisch auch Deutsch gesprochen – ein praktischer Vorteil für Besucher aus dem Nachbarland.
© Aurelien KEMPF-piksl.fr, Shutterstock
Die mittelalterliche Stadt Wissembourg im Norden und das zentral gelegene Haguenau bilden ideale Ausgangspunkte, um die Region zu erkunden. Von hier aus führen malerische Straßen durch eine Landschaft, die mit jedem Kilometer neue Überraschungen bereithält: verschlafene Fachwerkdörfer, die im Frühling unter einem Meer aus Blumen erblühen, mächtige Burgruinen, die von längst vergangenen Zeiten erzählen, und eine Küche, die französische Finesse mit deutscher Bodenständigkeit vereint.
Blühende Fachwerkdörfer und stolze Burgen
Die Dörfer des Nordelsass verwandeln sich ab dem Frühjahr in wahre Blütenmeere. Allen voran Hunspach, das zu den schönsten Dörfern ganz Frankreichs zählt und mit seinen schwarz-weißen Fachwerkhäusern und üppigem Blumenschmuck Fotografen wie Architekturliebhaber gleichermaßen begeistert. Eine Besonderheit stellen die blauen Häuser in Gundershofen dar – der Überlieferung nach sollte die Farbe Stechmücken fernhalten, heute lockt sie Touristen an.
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Über der malerischen Landschaft thronen mehr als 30 Burgruinen und Schlösser, die von der bewegten Geschichte der Region zeugen. Die Burg Fleckenstein, ein in den Sandstein gehauener Koloss, und das Château du Lichtenberg sind dabei nur die bekanntesten Vertreter. Kulturinteressierte sollten auch einen Abstecher nach Betschdorf und Soufflenheim einplanen, wo die jahrhundertealte Tradition der Töpferkunst bis heute lebendig ist. Die charakteristischen Keramikwaren aus Soufflenheim – besonders die Backformen für den traditionellen Kougelhopf – sind beliebte Mitbringsel.
Kulinarische Höhepunkte und Weingenuss
Die elsässische Küche gilt als eine der feinsten Frankreichs und verbindet französische Raffinesse mit deutscher Bodenständigkeit. Traditionelle Gerichte wie der Baeckeoffe – ein deftiger Eintopf aus drei Fleischsorten und Kartoffeln – oder die Foie Gras, die 1780 in Straßburg erfunden wurde, stehen auf fast jeder Speisekarte. In Gundershofen lockt das Sterne-Restaurant Le Cygne Feinschmecker aus nah und fern an. Hier werden traditionelle Gerichte neu interpretiert und mit überraschenden Elementen wie dem Austernblatt (Mertensia maritima) kombiniert.
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Für eine authentischere Erfahrung empfiehlt sich die Auberge Alsace-Villages in Obersteinbach, wo Köchin Christel mit Bio-Gemüsen aus eigenem Anbau kocht und die Speisekarte sich nach dem saisonalen Angebot der Region richtet. Wer im Nordelsass übernachten möchte, findet in der alten Mühle Le Moulin bei Gundershofen ein charmantes Refugium mit zwölf individuell gestalteten Zimmern und Blick auf den plätschernden Bach.
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Weinliebhaber sollten unbedingt einen Abstecher nach Cleebourg einplanen. Hier, im nördlichsten Weinanbaugebiet des Elsass, pflegt die örtliche Winzerbruderschaft eine Tradition, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Bei einer Kellerführung und Weinverkostung können Besucher prämierte Rieslinge, Grau- und Blauburgunder sowie Gewürztraminer probieren – ein Geschmackserlebnis, das trotz der nördlichen Lage überraschend südlich anmutet.

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Das Nordelsass ist ein Paradies für Naturliebhaber und Aktivurlauber. Der UNESCO-Regionalpark Nordvogesen bietet ein weitläufiges Netz an Wanderwegen, die durch dichte Wälder und über sanfte Hügel führen. Besonders reizvoll ist die Gegend um Obersteinbach, das "Dorf der 13 Brunnen", wo der imposante Wachtfels aus Sandstein Kletterer aus ganz Europa anzieht. Die Landschaft des Nordelsass trägt auch die Spuren seiner bewegten Geschichte. Die unterirdische Festungsanlage der Maginot-Linie bei Lembach, der "Kalkofen", kann täglich besichtigt werden und gibt Einblick in die Verteidigungsstrategien des Zweiten Weltkriegs. Im Tal der Sauer bei Froschweiler erinnern Gedenkstätten an die Schlacht vom 6. August 1870, bei der über 20.000 deutsche und französische Soldaten ihr Leben ließen.
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Die tragische Geschichte der Region, die viermal die Nationalität wechselte und deren Bewohner oft gezwungen waren, gegen ihre eigenen Landsleute zu kämpfen, hat das Nordelsass zu dem gemacht, was es heute ist: ein Ort, an dem deutsche und französische Einflüsse zu etwas Neuem, Einzigartigem verschmolzen sind. Diese besondere Mischung aus zwei Kulturen macht das Nordelsass zu einem idealen Ziel für einen Kurzurlaub – nah genug für ein verlängertes Wochenende, aber weit genug entfernt vom Alltag, um echte Erholung zu bieten.
Praktische Tipps für Entdecker
Wer das Nordelsass erkunden möchte, sollte mindestens drei Tage einplanen. Die beste Reisezeit ist von April bis Oktober, wenn die Dörfer in voller Blütenpracht stehen und die Wanderwege gut begehbar sind. Eine Anreise mit dem eigenen Auto empfiehlt sich, da die öffentlichen Verkehrsverbindungen in ländlichen Gebieten begrenzt sind.
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Für Kulturinteressierte lohnt sich ein Besuch der Töpfereien in Betschdorf und Soufflenheim, wo man den Handwerkern bei der Arbeit zusehen kann. Weinliebhaber sollten für die Verkostung in Cleebourg vorab einen Termin vereinbaren. Und wer in einem der empfohlenen Restaurants wie Le Cygne oder der Auberge Alsace-Villages speisen möchte, kommt um eine Reservierung nicht herum – besonders an Wochenenden sind die beliebten Lokale oft ausgebucht.
Das Nordelsass mag seit der Gebietsreform 2016 nur ein Teil der großen Region Grand Est sein, doch an Vielfalt und Authentizität übertrifft es nach wie vor viele andere Landschaften Frankreichs. Hier, wo französischer Charme auf deutsche Gemütlichkeit trifft, wo mittelalterliche Burgen über blühenden Dörfern thronen und wo die Küche zwei große kulinarische Traditionen vereint, wartet ein Reiseerlebnis, das noch immer zu den bestgehüteten Geheimnissen Europas zählt.