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Werner Rudhart
Werner Rudhart lebt seit über 30 Jahren in und um São Paulo – eine Stadt, die ihn nicht mehr losgelassen hat. Nach einem Pädagogikstudium und einer Fotografenlehre zog er Anfang der 1990er nach Brasilien und arbeitete dort als Fotojournalist u. a. für das bras. Magazin Ícaro, sowie Merian, Spiegel, WWF und Greenpeace. Als Co-Autor mehrerer Brasilien-Reiseführer kennt er seine Wahlheimat zwischen Amazonas und den Pampas bis in die entlegensten Winkel. In seinen Stadtführungen zeigt er Besucher:innen die gelebte Wirklichkeit der Megacity São Paulo – jenseits von Klischees und nah am Alltag.
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Buchtitel von Werner Rudhart
Wie hat Ihre Leidenschaft fürs Reisen und Schreiben begonnen?
Das mit dem Reisen began eigentlich schon Anfang der 70er-Jahre. Damals gab es zum ersten Mal die sogenannten InterRail-Tickets, mit denen man einen Monat lang kreuz und quer auf Schienen durch Europa rattern konnte. Zusammen mit Schulfreunden nutzte ich das ausgiebig während mehrerer Sommerferien: Was für ganz andere Welten eröffneten sich da, im Vergleich zum alljährlichen Familienurlaub mit den Eltern! Das Schreiben ergab sich dann erst viel später. Als Fotograf kommen bei mir die Bilder immer an erster Stelle. Schon bald musste ich aber feststellen, dass die “mehr als tausend Worte” eines guten Bildes eben doch nicht immer ausreichen. Auβerdem sind Redakteure oft erfreut, wenn sie statt jeweils einer Person für Wort und für Bild nur die eine losschicken müssen, die ihnen beides liefern kann.
Wie war es, Ihren ersten Reiseführer für DUMONT zu schreiben?
Als mich 2004 eine Reise auf die Ilha de Santa Catarina führte, überraschte mich dort der Pensionswirt mit dem Hinweis, dass mein „Kollege“ bereits da sei. Als dieser entpuppte sich Jochen Österreicher, der damals für die erste Ausgabe des Stefan Loose Travel Handbuchs durch Brasilien reiste. Bei ein paar Caipirinhas gab es viel zu erzählen und Visitenkarten wurden getauscht. Über ein Jahr später erhielt ich mit der Post die erste Ausgabe des Buchs mit dem Angebot Jürgens, in Zukunft seinen Teil zu übernehmen. Ich zögert nicht lange. Nach vielen Jahren unterwegs als Reporter für ein brasilianisches Magazin, ergab sich hier die Möglichkeit, das aufregende und so ganz andere Brasilien, das ich dabei kennengelernt hatte, auch interessierten deutschsprachigen Menschen näherzubringen.
© Werner Rudhart
Welcher Ort oder welche Stadt hat Sie auf Ihren Reisen am meisten beeindruckt – und warum?
Zur Zeit meiner ersten Reise an den Amazonas lebte ich schon seit über sechs Jahren in Brasilien und hatte den Schritt in den “wilden” Norden noch nicht gemacht (immerhin sind es von São Paulo aus um die 3.000 Km Luftlinie, und eine Straβe nach dort gibt es bis heute noch nicht).
Mein Ziel war die Flußinsel Tupinambarana, 420 Kilometer von Manaus entfernt, auf der rechten Seite des Amazonas gelegen, wo in dem Städtchen Parintins das Boi Bumbá-Festival stattfindet, das größte Folklorefest der ganzen Amazonasregion. In einer eigens dafür gebauten Arena, versammeln sich dort alljährlich Abertausende von Menschen, um ihre groβen Helden anzufeuern - zwei durch Attrappen repräsentierte Stiere, die abwechselnd versuchen, sich mit überwältigenden Schauspielen gegenseitig zu übertrumpfen: Riesenschlangen wälzen sich über die Zuschauerränge, mythische Dschungelwesen rollen ihre glühenden Augen, kriegerische Amazonen schütteln Speere und ihre gefiederten Häupter. All das war so gänzlich anders als alles, was ich bis dahin in Brasilien erlebt hatte, so dass ich damals aufschrieb: “Die imaginäre Reise, auf die die Stiere ihr Publikum entführen, kann nicht nur in der Phantasie stattfinden. Gleich hinter den betonierten Rängen des Stadions beginnt der größte tropische Urwald der Welt, eine Straße, die hierher führt, gibt es nicht, nur den Amazonas. Irgendwo da draußen, vielleicht gar nicht weit, leben indigene Völker, noch ohne Kontakt zu unserer Welt, existieren unzählige Pflanzen und Tiere, für die es noch nicht einmal einen Namen gibt. Die Geschichten und Lebewesen, die hier im Bumbodrom von Parintins aufleben, sind phantastische Wirklichkeit, sie sind lebendig, so lebendig, wie der enorme, grünschimmernde Nachtfalter, der sich während des Spektakels mitten auf das Objektiv des Fotografen setzt.“
© Werner Rudhart
Welche drei Dinge dürfen in Ihrem Koffer auf einer Recherchereise nicht fehlen?
Eine Kamera natürlich, und wenn es auch mal nur eine kompakte, kleine ist. Selbst in den heiβesten Gegenden habe ich zudem ein Halstuch und was Warmes zum Überziehen gern griffbereit, denn die übelsten Erkältungen warten in „antarktisch“ klimatisierten Bussen, Restaurants oder Hotelfoyers. Auβerdem, ich geb’s ja zu, ein Deoroller. Den Brasilianern sind eine gepflegte Erscheinung und Körperhygiene sehr viel wichtiger als den meisten Europäern, verschwitzter Körpergeruch ist da eine denkbar schlechte Visitenkarte.
Wie beeinflussen aktuelle Entwicklungen wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung Ihre Arbeit als Reiseführerautor
Nachhaltigkeit ist ja eigentlich schon seit Wyhl oder Gorleben ein Thema und sicher auch ein Grund dafür, wenn ich bestimmte Reiseziele wohlwollend hervorhebe, andere dagegen am liebsten verschweigen würde. Gegen von KI dominierte Suchmaschinen hilft neben sachlicher Information nur der emotionale und ganz persönliche Bezug zu dem Land und den Leuten, die man beschreibt.