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Sylvia Pollex
Sylvia ist an mehreren Orten zu Hause. Ihre Heimatstädte Dresden und Leipzig hat sie 2020 mit einem lachenden und einem weinenden Auge hinter sich gelassen, um mit ihrer Familie nach Südtirol zu ziehen. Gute Luft schnuppern, wandern, Pilze sammeln, vorzügliches Essen genießen und im Winter Langlaufski fahren – das geht in ihrem neuen Zuhause wunderbar. Für die Journalistin ist es ein inspirierendes Umfeld, in dem sie viele der Geschichten findet, die sie so gern erzählt. In Worten aber auch in Bildern. Weil ihr die Fragen nie ausgehen und ihr Blick für die Vorgänge hinter dem Offensichtlichen sehr geschärft sind. Die erlebten Geschichten zu verdichten, zu strukturieren und gekonnt in Worte zu kleiden, ist für Sylvia ein sehr spannender und vergnüglicher Prozess.
Buchtitel von Sylvia Pollex
Wie war es, Ihren ersten Reiseführer für DUMONT zu schreiben?
Absolutes Neuland. Der Band „Eskapaden Leipzig, Halle“ war mein erster professioneller Schreibauftrag. Davor habe ich eine Fotoagentur geleitet und mich eher für das visuelle Erzählen von Geschichten interessiert. Das Schreiben ist mir dann unerwartet leichtgefallen. Ich hatte das Gefühl etwas gefunden zu haben, was 100 Prozent zu mir passt. Seither gibt es viele Schreibprojekte – für Magazine, Agenturen, Redaktionen.
© Thomas Rötting
Was war Ihr schönstes oder aufregendstes Erlebnis während der Recherche?
Die für mich spannendste Recherche habe ich gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Rötting als freie Produktion gemacht. Wir wollten wissen, ob es die traditionelle Waldarbeit mit Pferden in den Südtiroler Bergen noch gibt. Was wir dann zu sehen bekommen haben, war sehr besonders. Mensch und Pferd, die sich in einer gefährlichen Situation wortlos verstehen, wenn sie gemeinsam mit fünf großen Baumstämmen im Schlepptau einen steilen Hang hinunterrennen. Tierliebe, Vertrauen, nachhaltige Waldwirtschaft.
© Thomas Rötting
…und gab es eine Situation, die besonders herausfordernd oder unerwartet war?
Ja, die Begleitung der Schafe auf der Transhumanz in den Südtiroler Bergen. Seit Jahrtausenden ziehen die Hirten mit ihren Schafen aus dem im Sommer recht kargen Vinschgau über die Pässe auf die saftigen Wiesen der Ötztaler Alpen. Die Hirten hatten mir gesagt, dass es nicht sonderlich anstrengend sei. Aber dann ging es in atemberaubendem Tempo querfeldein und steil bergauf über Bäche, felsiges Gelände, hohes Gras. Nach acht Stunden waren die Schafe sicher am Ziel und ich musste wieder zurück zum Ausgangsort wandern. Abends hätte ich keinen Schritt weiter gehen können. Aber das Erlebnis war unglaublich wertvoll für mich.
© Thomas Rötting
Welcher Ort oder welche Stadt hat Sie auf Ihren Reisen am meisten beeindruckt – und warum?
Der Besuch der Hakka-Dörfer in Südchina in der Provinz Fujian hat mich sehr beeindruckt. Aus Schutz vor feindlichen Überfällen bauten die Hakka schon vor Jahrhunderten kreisförmige Häuser aus Lehm, die von außen wie eine Festung anmuten. Innen wohnen zwischen 50 und 800 Menschen in einer Gemeinschaft zusammen. Jeder Wohnbereich ist quasi ein Tortenstück des Hauses. Im unteren Stockwerk befinden sich die Küchen, gegessen wird draußen. Dann kommen die Wohn- und Schlafräume für die älteren Familienmitglieder, ganz oben sind die jungen. Für mich eine faszinierende Form des Zusammenlebens. Ein kleines Dorf gemeinsam in einem Haus. Schön, aber natürlich auch nicht konfliktfrei.
© Thomas Rötting
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Inhalte für Ihre Reiseführer aus?
Ich bin ein sehr naturverbundener Mensch. Für mich ist die weniger spektakuläre Landschaft meist schöner als ein touristisches Highlight, weil für mich zum Genuss der Natur auch ein bisschen Einsamkeit gehört. Das ist also ein Aspekt für meine Empfehlungen. Außerdem finde ich es wichtig, mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu kommen. Gelegenheiten dafür gehören unbedingt in einen Reiseführer.
© Thomas Rötting
Wie beeinflussen aktuelle Entwicklungen wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung Ihre Arbeit als Reiseführerautor:in?
Nachhaltigkeit ist ein großes Thema für mich. Ich glaube, für kaum jemanden ist eine Reise ein Genuss, wenn dadurch etwas kaputt geht. Aber vielen ist nicht bewusst, wo und wie gelebte Nachhaltigkeit möglich ist. Reiseführer können da informieren und gute Tipps geben. Die Digitalisierung weiß ich gut für mich zu nutzen. Vorrecherche, Organisation, Aufbereitung der Daten, alles ist heute einfacher. Aber das emotionale Beschreiben von Erlebtem, das Lust wecken auf eine Reise, den humorvollen Blick auf die regionalen Besonderheiten - das wird wohl keine Maschine mir je abnehmen können.
© Thomas Rötting